Das Beiwerk eines Kriegers

Die wichtige und berühmte Figur A eines Bronzekriegers aus dem Meer vor Riace war ursprünglich mit einem prächtigen korinthischen Helm sowie mit Schild und Lanze ausgestattet.

Die Altertumsverwaltung von Kalabrien hatte uns 2014 die Genehmigung erteilt, die wichtige und berühmte Figur A eines Bronzekriegers aus dem Meer vor Riace als ganze Figur zu scannen. Neben einer Bronzerekonstruktion der Skulptur hatten wir uns auch vorgenommen, alle verlorenen Teile zu ergänzen.

Zu den an der Skulptur fehlenden Elementen gehören neben dem korinthischen Helm auch Schild und Lanze. Für die Nachbildung des Schildes und der Lanze waren wir im Sommer 2014 im Depot des Museums von Olympia tätig. Bei den – seit 1876 von den Deutschen durchgeführten – Grabungen wurden zahlreiche Waffen gefunden, die von den Gläubigen im Zeusheiligtum geweiht worden waren. Dazu gehören Lanzenspitzen, Lanzenschuhe, Schildbleche und allerlei Verzierungen. Unsere fotografische Dokumentation lieferte die Grundlage für die Arbeit an den zu ergänzenden Elementen.

Ein Schild nach künstlerischem Vorbild

Uns war jedoch von Anfang an klar, dass wir nicht einen „echten“ Schild, sondern einen Schild aus der griechischen Skulpturenproduktion, also eine künstlerische Variante, als Vorlage wählen müssen. Daher trafen wir uns Ende 2014 mit unseren Kollegen und einem kleinen Scan-Team vor dem berühmten Ostgiebel des Aphaiatempels in der Münchner Glyptothek. Der sterbende trojanische König stützt sich dort auf seinen beinahe vollständig erhaltenen Marmorschild. Die Scan-Daten mussten in einem komplexen Prozess bereinigt werden. Für die Produktion der im 3D-Drucker erstellten Gussformen mussten in Absprache mit den Gießern zahlreiche Aspekte berücksichtigt werden. Da der Schild hohl gegossen werden soll, sind vier Teilformen mit internen Stützrippen definiert worden. Die Stützrippen sind notwendig, damit sich die Gussformen auch nicht um wenige zehntel Millimeter gegeneinander verschieben.

Im Blick des Kriegers

In enger Kooperation mit der Frankfurter Goldschmiedin Kristina Balzer fertigten Steinschleifer aus Idar-Oberstein Augen für die Bronzerekonstruktion. Das Augenweiß besteht aus Quarzit, die Iris aus Zitrin, der Irisring aus karamellisiertem Achat, die Pupille aus Obsidian und die Karunkel aus rosaroter Koralle. Das Bestechende ist die perfekte Politur der Steine, die tatsächlich den wässrigen Charakter des menschlichen Auges wiedergibt.

Eine Lanze taucht auf

Anfangs fürchteten wir, an der Aufgabe, die fehlende Lanze in der rechten Hand des Kriegers zu ergänzen, zu scheitern. Dies war in der Tatsache begründet, dass sich im Bereich der griechischen Skulptur keine einzige Lanze erhalten hat. So wussten wir zwar, wie ein „echter“ Lanzenschuh und eine „echte“ Lanzenspitze in der Entstehungszeit der Riacebronzen, also gegen 440 v. Chr., aussahen. Wir hatten aber keine Vorstellung, wie diese Elemente vom Künstler nachgeformt und formal interpretiert wurden. Erst recht hatten wir keine Vorstellung von den exakten Dimensionen einer Lanze, geschweige denn von der präzisen Ausformung des Lanzenschaftes. Durch eine glückliche Fügung löste sich diese Problematik schlagartig in Luft auf. Der Zufall wollte es, dass bei griechischen Unterwassergrabungen vor der Küste der Insel Antikythera im Herbst 2014 die vollständige Bronzelanze einer verlorenen griechischen Skulptur entdeckt wurde, die uns schließlich als Vorbild diente.

Autor:

Prof. Dr. Vinzenz Brinkmann

Leiter der Abteilungen Antike und Asien

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