Der Blick in die Sterne

Die Ausstellung „Maschinenraum der Götter. Wie unsere Zukunft erfunden wurde“ befasst sich mit den Themen Kunst, Technologie und Wissenschaft, die in den antiken Kulturen untrennbar miteinander verbunden waren. Dafür steht auch der griechische Begriff „techne“, der gleichermaßen Kunst und Technik beschreibt. Ausgangspunkt dieser übergreifenden Betrachtung ist der Blick in den Nachthimmel.

Der Blick in die Sterne und zu den Planeten übt seit jeher eine Faszination auf die Menschen aus. Es lässt sich eine enge Verbindung der Kunst und der technologischen Entwicklung herstellen. Die Erklärung hierfür ist simpel, denn an dieser „Himmelsmechanik“ orientierte sich das Leben der Menschen, sei es bei den Mesopotamiern, den Ägyptern, den Griechen oder den Römern. Diese zu verstehen und nachzuvollziehen war für die Menschen von großer Bedeutung. Sie versuchten etwa in die Zukunft zu schauen, indem sie Rückschlüsse aus vergangenen Ereignissen zogen. Neben mathematischem Verständnis waren dazu Datensammlungen nötig, die in jahrzehnte- oder gar jahrhundertelangen Beobachtungen erstellt wurden. Heute zeigt sich das an verschiedenen Objekten, die mindestens 4000 Jahre zurückreichen.

Ein Ausgangspunkt

Einen Ausgangspunkt können wir bei den Kulturen Mesopotamiens und Ägyptens setzen. Mathematische Berechnungen waren unter anderem für die Bestimmung der Zeit, die Astronomie oder die geographische Bestimmung notwendig, genauso wie sie unerlässlich für die gigantischen Bauvorhaben waren. Eine Keilschrifttafel vom Beginn des 2. Jahrtausends v. Chr. verdeutlicht etwa, dass bereits die Kenntnis über die Rechenmethode bestand, die im 6. Jahrhundert v. Chr. vom griechischen Mathematiker Pythagoras (6. Jh. v. Chr.) in einer Formel zusammengefasst wurde. Ohne solches Wissen wären Bauwerke wie die Pyramiden von Sakkara oder Gizeh nicht realisierbar gewesen.

Verantwortlich für den Bau der Pyramidenanlage von Sakkara Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. war der ägyptische Baumeister Imhotep. Er vollbrachte in den Augen seiner Zeitgenossen damit fast Unvorstellbares und wurde später in den Rang eines Gottes erhoben. Statuetten des unter Pharao Djoser tätigen Beamten haben sich insbesondere aus dem 1. Jahrtausend v. Chr. erhalten und zeigen ihn häufig sitzend mit einer Schriftrolle auf dem Schoß.

Die Beobachtung der Sterne

Die Bedeutung der Sterne und Planeten sind für die frühen Kulturen gar nicht hoch genug einzuschätzen. An ihnen orientierte sich das Leben der Menschen. Bestimmte Planetenkonstellationen führten etwa zur Krönung eines Pharaos; starb ein Anführer unter einem bestimmten Tierkreiszeichen, das gerade am Himmel stand, war dieses Zeichen wiederum für Neugeborene ein eher schlechtes Omen. Durch Beobachtungen über einen langen Zeitraum wurde es möglich, wiederkehrende Ereignisse und Konstellationen zu erkennen und gar Vorhersagen über solche zu treffen. Der heliakische Aufgang des Sirius, also der gleichzeitige Aufgang der Sonne und des Sterns, kündigte etwa die Nilflut an. Für die Landwirtschaft ein unschätzbar wichtiges Ereignis – bis heute. Aufzeichnungen solcher Art finden sich etwa – eingebettet in den mythologischen Kontext – im Osireion von Abydos wieder. Dort spannt die Himmelsgöttin Nut ihren Körper über die 36 Dekansternbilder, darunter folgen Tabellen von Informationen über deren Verlauf am Himmel.

Die Astralsymbole der Artemisstatue

Die Rekonstruktion einer Statue der griechischen Göttin Artemis (Original stammt von der Akropolis in Athen) ist ein fulminantes Beispiel für die Verschmelzung der Mittelmeerkulturen. Sie trug eine Art Himmelskrone mit ägyptischer und babylonischer Astralsymbolik.

Ihre Krone macht nicht nur den Austausch von Wissen zwischen den antiken Kulturen sichtbar, sondern verdeutlicht auch die Verbindung von Kunst und Wissenschaft. So besetzen die ägyptischen Dekansterne die vordere Reihe mit 36 Löchern. Die im 6. Jahrhundert v. Chr. bestehenden elf babylonischen Tierkreiszeichen bilden die hintere Reihe. Die Löcher auf der Schulter dienten offensichtlich dazu, eine Mondsichel anzubringen, das Symbol der Göttin der Jagd und der Nacht.

Thot

Im alten Ägypten war Thot der Gott des Mondes und zuständig für den ordnungsgemäßen Ablauf der Zeit. Außerdem war er der Gott essentieller wissenschaftlicher Fähigkeiten wie des Schreibens und Rechnens. Eine Fayence-Statuette zeigt den Gott in menschlicher Gestalt, jedoch mit Schnabel und Ibiskopf, und stellt damit die für die Götterdarstellung der Ägypter charakteristische Verschmelzung von Mensch und Tier dar. Ähnlich der griechischen Göttin Athena wurden ihm auch Erfindungsgabe, Weisheit und Allwissenheit zugeschrieben.

Die Aufgabe der Bewahrung des Wissens machte ihn zum Herrn der Bibliotheken. In diesen wurden möglicherweise auch Objekte wie die in der Ausstellung gezeigte mesopotamische Schrifttafel aufbewahrt, die in ihrer Funktion einem Lexikon ähnelt. Sie zeugt von dem Wunsch, Schrift und Sprache zu bewahren. So ist auf der linken Seite das Akkadische, eine Sprache, die am Ende des 1. Jahrtausends v. Chr. noch aktiv im Gebrauch war, und daneben, entsprechend einem heutigen Wörterbuch, das sumerische Wort abgebildet, eine Sprache, die zu dieser Zeit eigentlich nicht mehr verwendet wurde.

Aristoteles und Archimedes

Im antiken Griechenland beschäftigten sich die klügsten und intelligentesten Menschen ihrer Zeit mit dem Verständnis der theoretischen und praktischen Nachbildung der Himmelsmechanik. Aristoteles und Archimedes gehören wohl zu den bekanntesten. Während Aristoteles versuchte, das „Getriebe“ durch Beobachtung in der Theorie nachzustellen und insbesondere die Bewegung der Planeten zu erklären, war es Archimedes, der eine Apparatur baute, die - wohlgemerkt in Echtzeit - die Planetenbewegungen auf Bahnen zeigte. Dabei handelt es sich um die unter dem Namen bekannten Armillarsphäre. Nicht nur Cicero berichtet von einer solchen Apparatur, sondern auch uns noch heute erhaltene Kunstwerke.

Auf einer Wandmalerei, die aus Stabiae stammt, das ganz in der Nähe von Pompeji gelegen ist, sind die kreisrunden Bahnen zu erkennen. Feststehende Ereignisse wie Frühlings- und Herbstbeginn, die sogenannten Äquinoktien, sind – hier der Herbstanfang – durch eine kindliche Darstellung mit Getreidebündeln in der Hand personifiziert.

Atlas Farnese

Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Atlas Farnese und einer solchen Planetenmaschine? Das Original der Statue des Titan Atlas – heute nur noch als römische Kopie erhalten – zeigte womöglich im Herzen des antiken Athens den aktuellen Stand der Sterne und Planetenkonstellation.

Man stelle sich eine durch Wasserkraft angetriebene und bewegliche Skulptur aus Bronze vor. Im sogenannten Turm der Winde war gewissermaßen eine öffentliche Uhr in Form einer solchen beweglichen Skulptur aufgestellt.

Denkt man sich die neuzeitlichen Ergänzungen weg, wird eine Rekonstruktion der Armillarsphäre im Lot ermöglicht und die Arme können eine viel größere Sphaira halten. Die Skulptur trägt in diesem Moment das Himmelszelt, das durch etwas wie den Mechanismus von Antikythera angetrieben worden sein muss. Dieser entspricht wohl in etwa dem Apparat, den Archimedes – nach der verlässlichen Auskunft Cicero’s – entwickelt hat.

Die Bedeutung des Nachthimmels

Publikation

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Sterne, Planeten und die Tierkreiszeichen sind in der Kunst und den mythologischen Vorstellungen der alten Kulturen allgegenwärtig. Natürlich, denn das Wissen um sie entschied über Krieg und Frieden, über Nahrungsknappheiten und vieles mehr. Die Kenntnis über Zeit und astronomische Ereignisse bedeutete Macht. Aber nicht nur sie trieb die Menschen an. Es war die Faszination etwas nicht Greifbares, dennoch Sichtbares zu verstehen und vielleicht die eigene Bedeutung in diesem unendlichen Konstrukt zu erfassen. Die Bedeutung des Nachthimmels, der heutzutage wegen der Lichtverschmutzung nur selten in seiner vollkommenen Pracht bewundert werden kann, ist für uns nur noch gering. Ihn ersetzt die Technologie - in Geräten, die in die Hosentasche passen.

Autor:

Jakob Salzmann

Jakob Salzmann ist wissenschaftlicher Volontär in der Antikensammlung des Liebieghauses. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehört die antike Statuenpolychromie.

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