Forschung zur Farbfassung eines ionischen Kapitells

Antike griechische und römische Skulptur war zu allen Zeiten farbig gefasst. Dies gilt ebenso für die Architektur der Heiligtümer und öffentlichen Anlagen. Architektur wurde in der Antike häufig als erzählerisches Element verstanden. Stets standen Skulptur und Architektur in einem unmittelbaren und untrennbaren Zusammenhang.

Das ionische Kapitell nimmt in diesem Zusammenhang eine besondere Stellung ein. Häufig dient es – zusammen mit einem Säulenschaft unterschiedlicher Länge – als Basis und Träger von Inschriften, um besonders bedeutende Statuenweihungen zu tragen und hervorzuheben. Das ionische Kapitell mit einem kurzen Säulenschaft kann sogar in Einzelfällen völlig autonom, ohne zusätzliche skulpturale Elemente, als Monument eingesetzt werden. In der spätantiken Stadtmauer Athens wurden zwei hochklassische ionische Marmorkapitelle verbaut, die in den 1950er-Jahren entdeckt wurden und noch heute besonders reiche Spuren der ehemaligen farbigen Bemalung tragen.

Analyse und Restaurierung

Polychromieforschung

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Im Rahmen eines Forschungsprojekts der Liebieghaus Skulpturensammlung in Kooperation mit der Stiftung Archäologie und dem Naturwissenschaftler und Restaurator Dr. Heinrich Piening von der Bayerischen Schlösserverwaltung konnten die Farben durch physikalische Analyse als Material und Farbwert bestimmt werden. Nachdem griechische Spezialisten einen 3D-Scan erstellt hatten, wurde 2015 eine Kopie der beiden Kapitelle von einem 3D-Drucker in Sand ausgegeben.

Ulrike Koch-Brinkmann, Klassische Archäologin und Polychromie-Spezialistin, übernahm schließlich die archäologische Auswertung und die Rekonstruktion der ursprünglichen Farbigkeit. Hierfür musste der dunkle, künstliche Sandstein der Kopie zunächst in zahlreichen Lagen mit Kreide, dann mit Marmorstaub und Kalzit überzogen und vielfach zwischengeschliffen werden. Die am Original erhaltenen Ornamente wurden umgezeichnet, das ihnen zugrunde liegende Linienraster rekonstruiert und auf die Kopie übertragen. Die Ornamente wurden dann, wie am Original, frei Hand in dieses quadratische Raster gemalt. Die originalgetreuen Pigmente wurden in einer Ei-Leim-Mischung gebunden.

Autor:

Prof. Dr. Vinzenz Brinkmann

Leiter der Abteilungen Antike und Asien

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