Athen – Ein Frankfurter Ausstellungsprojekt

Athen – keine andere Stadt hat die Entwicklung Europas stärker beeinflusst. Das klingt nach einem Klischee, ist es aber nicht.

Die Ausstellung „Athen. Triumph der Bilder“ war vom 4. Mai bis 4. September 2016 im Liebieghaus zu sehen.

In dieser Stadt ist vor mehr als 2.500 Jahren das Theater erfunden worden; hier ist der Gedanke der Gleichheit und damit der Demokratie entwickelt und verwirklicht worden. Athen ist die Wirkungsstätte von Platon und Aristoteles. Europäisches Ethos, ja der Gedanke der Naturrechte stammen aus den Denkschmieden des alten Athen. Werte wie Philanthropie, Mitmenschlichkeit, Asylrecht sind in der klassischen Tragödie und der attischen Philosophie geprägt und vorgelebt worden. Ebenso sind in der Stadt der Göttin Athena die grundlegenden Schritte zu einem europäischen Kunstverständnis umgesetzt worden. In einer starken Allianz von Politik und Kunst sind die schönsten Gebäude, Gemälde und Skulpturen der europäischen Antike geschaffen worden.

Nach der Zerstörung Athens und Attikas durch die Perser in den Jahren 480 und 479 v. Chr. lagen die Heiligtümer und Friedhöfe in Schutt und Asche. Aus der Niederlage erwuchs ein glanzvoller und radikaler Neuanfang: Dem Machtpolitiker Perikles gelang der koordinierte Wiederaufbau einer kompletten Kulturlandschaft zwischen 450 und 410 v. Chr., also innerhalb von 40 Jahren. Als „Mastermind“ wurde der geniale Bildhauer und Maler Phidias beauftragt.

Die Mythenwelten der Akropolis

Unser ambitioniertes Ausstellungsprojekt „Athen. Triumph der Bilder“ im Liebieghaus kreist um die hochklassischen Bauten der Akropolis und fragt im Besonderen nach den zahlreichen, zum Teil kolossalen Bildern, die die Mythen Griechenlands, aber vor allem das Märchen von der Stadtgöttin Athena und ihrem Sohn erzählen. 200 Jahre Erforschung der Giebelfiguren, Metopen, Friese und der freistehenden Skulptur hatten keine befriedigende Antwort bezüglich der Deutung der großen Bilder der Akropolis erbracht. Eine Wende in der Erforschung der Bildsprache des antiken Athen hat die Entdeckung von Teilen der verlorenen Tragödie „Erechtheus“ des Athener Dichters Euripides ermöglicht. Seit dieser Entdeckung wissen wir, dass im Zentrum des Märchens von Athena deren „Sohn“ Erechtheus steht, der seine Tochter und sein eigenes Leben opfert, um sein Land im Krieg gegen Poseidon und dessen Sohn Eumolpos zu retten.

Die Bronzekrieger aus Riace

Unser Frankfurter Projekt zur Rekonstruktion der berühmten klassischen Bronzeskulpturen aus Riace, die zwei nackte Kämpfer darstellen, hat sich entscheidend weiterentwickelt. Die Rekonstruktion von „Riace A“ wurde bereits im Mai 2015 abgeschlossen. Seit Herbst 2015 arbeiten wir an der Wiederherstellung der zweiten Figur „Riace B“. Durch die kollegiale Unterstützung des Klassischen Archäologen und Kunsthistorikers Salvatore Settis und die generöse finanzielle Förderung der italienischen Regierung ist die wissenschaftliche und technische Realisierung gesichert.

Mithilfe der Kollegen der Rechtsmedizin der Universität Bern haben wir die Figur Ende September 2015 digital vermessen. Hieraus entstand ein Datenmodell; der Kopf ist bereits in 3D ausgedruckt worden. Seit Ende des vergangenen Jahres arbeitet der renommierte Münchner Bildhauer Christoph Bergmann, der durch seine eigenen Arbeiten mit den Formen der antiken klassischen Kunst wohlvertraut ist, an der Ergänzung der verlorenen Waffen und der Kopfbedeckung. Aufgrund der Spuren am nackten unbearbeiteten Schädel von „Riace B“ konnten wir als einstige Kopfbedeckung die sogenannte Alopekis nachweisen, die zur Tracht und Bewaffnung der Thraker, eines nördlichen Bergvolks gehört. Es handelt sich um eine Kappe, die aus einem Fuchsfell gearbeitet ist.

Beide Rekonstruktionen werden die Besucher durch die besonders starke Wirkung ihrer Körper und Waffen in ihren Bann ziehen. In überraschender Unmittelbarkeit wird die Gewalt des göttlichen Konflikts gegenwärtig.

Eine „szenografische“ Ausstellung

Für die szenische Gestaltung der Athen-Ausstellung konnten wir das Frankfurter Atelier Markgraph gewinnen. In enger Abstimmung ist eine Ausstellungsplanung erarbeitet worden, die starke grafische, aber auch mediale Elemente vereint. So soll der Besucher zunächst durch zwölf Räume geführt werden, welche die zwölf Monate des antiken attischen Kalenders repräsentieren. Die einzelnen Monatsräume berichten von den großen Festen im Jahreszyklus und auf diese Weise vom attischen Mythos. Besonders schöne Originale der griechischen klassischen Kunst vermitteln die Atmosphäre der Heiligtümer, deren Bilderwelt wiederum den Mythos reflektiert.

Wir alle dürfen auf außergewöhnlich schöne und bedeutende Leihgaben aus den großen Antikensammlungen dieser Welt, unter anderem aus Berlin, München, Göttingen, Fulda, Würzburg, London, Paris, Rom, Neapel und Athen, gespannt sein. Hierunter zählen zum Beispiel das berühmte Marmorporträt des Perikles oder die große Statue der Hera Borghese aus den Vatikanischen Museen.

Autor:

Prof. Dr. Vinzenz Brinkmann

Leiter der Abteilungen Antike und Asien

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